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Heidi Simoni über Förderung von Kindern.

Im Interview spricht Heidi Simoni darüber, was frühkindliche Förderung bewirkt.

Der Grundstein für Bildungschancen wird bereits in den ersten Lebensjahren gelegt. Im Interview erklärt Dr. phil. Heidi Simoni, was es braucht, um Kinder in ihrer Entwicklung zu stärken. Sie ist Institutsleiterin des Marie Meierhofer Instituts für das Kind.

Frau Simoni, wie können Eltern und erziehungsberechtigte Personen die Entwicklung von Kleinkindern fördern?

Wichtig sind Gelegenheiten zum Spielen und zum Austausch mit kleinen und grossen Menschen. Kinder brauchen ein Umfeld, das sie zum Erkunden und Gestalten, zum Fragenstellen und Suchen von Antworten einlädt.

Was sind die häufigsten Missverständnisse, die Sie im Zusammenhang mit frühkindlicher Förderung hören?

Erstens geht es nicht darum, Kindern in Kursen möglichst früh etwas Bestimmtes beizubringen. Das entspricht gar nicht dem kindlichen Lernen. Zweitens ist Spielen zwar eine zentrale Beschäftigung junger Kinder, aber nicht alle wichtigen Erfahrungen brauchen zwingend Spielelemente. Frühe Förderung bedeutet im Kern, dass man kinder- und familienfreundliche Rahmenbedingungen und Angebote schafft.

Es geht nicht darum, Kindern in Kursen möglichst früh etwas Bestimmtes beizubringen.

Der Kindergarteneintritt erfolgt in der Schweiz per Stichtag. Kinder unterschiedlichen Alters müssen denselben Anforderungen gerecht werden. Wenn das einem Kind (noch) nicht gelingt, wird es in die frühkindliche Therapie geschickt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Strukturelle Mängel des Schulsystems dürfen nicht zulasten der Kinder gehen. Eine frühkindliche Therapie oder Frühförderung im heilpädagogischen Sinne braucht ein Kind nur dann, wenn tatsächlich eine Störung wie Autismus festgestellt wurde oder es spezielle Schwierigkeiten hat, zum Beispiel beim Spracherwerb. Es ist völlig normal, dass Kinder im Kindergartenalter an unterschiedlichen Orten ihrer Entwicklung stehen. Es muss uns allerdings zu denken geben, dass nicht alle Kinder in den ersten Lebensjahren die gleichen Chancen haben. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf die Entwicklung und die Schullaufbahn aus. Hier setzen Angebote der frühen Förderung an.

Was ist MegaMarie genau?

Die MegaMarie ist eines unserer Praxisprojekte. Es ist ein kleines, fachlich gut begleitetes Familienzentrum für junge Kinder und ihre Eltern oder andere Bezugspersonen. Der Ort lädt zum Spielen, Malen und Werken sowie zu Begegnungen ein. Wenn der Radius vom Familienkreis auf die grosse, weite Welt erweitert wird, ist das immer ein abenteuerlicher Schritt. Es geht dabei auch um erste Trennungen für Kinder, Mütter und Väter. Eltern haben zudem viele Fragen zu ihrem Kind oder zur Erziehung. In der MegaMarie können sie diese mit anderen Eltern oder mit unseren anwesenden Fachpersonen besprechen.

Wie erreichen Sie sozial benachteiligte Familien mit Ihrem Angebot?

Wir pflegen eine enge Zusammenarbeit mit Organisationen wie beispielsweise der Mütter- und Väterberatung oder der Caritas. Auch eine Partnerschaft wie diejenige mit The Human Safety Net Switzerland von Generali ist wichtig. Sie eröffnet uns weit über die Schweiz hinaus einen Erfahrungsaustausch mit Individuen, die sich für benachteiligte Familien und kleine Kinder engagieren. Und wir holen regelmässig Kinder im nahe gelegenen Bundesasylzentrum ab, damit sie einen Nachmittag im Malatelier der MegaMarie verbringen können.

In welchen Bereichen sehen Sie bei der frühkindlichen Bildung in der Schweiz das grösste Handlungspotenzial?

Das noch weit verbreitete, allzu simple Bild von Kindern als Privatsache sollten wir endlich über Bord werfen. Selbstverständlich sind Familien die zentrale Lebenswelt kleiner Kinder und die Eltern in der Regel ihre wichtigsten Bezugspersonen. Stabile Familien entstehen jedoch nicht im luftleeren Raum. Familien- und Kinderarmut wie auch Isolation sind eine Schande, erst recht für ein Land wie die Schweiz. Deshalb unterschätzen wir wohl auch allzu bereitwillig das Ausmass dieser Probleme oder kehren sie unter den Teppich.
 

 

Heidi Simoni, Institutsleiterin MMI

Dr. phil. Heidi Simoni promovierte nach ihrem Psychologiestudium an der Universität Basel. Seit 2007 hat sie die Leitung des Marie Meierhofer Instituts für das Kind (MMI) inne. Zuvor leitete die ausgebildete Psychotherapeutin sieben Jahre lang die Praxisforschung des Instituts. 2018 wurde sie von der Pädagogischen Hochschule Zürich für ihr Engagement im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung mit dem Bildungspreis ausgezeichnet.

 

Marie Meierhofer Institut für das Kind

Das Marie Meierhofer Institut für das Kind (MMI) ist ein Kompetenzzentrum für die frühe Kindheit. Es engagiert sich seit über 60 Jahren dafür, dass Kinder in und ausserhalb der Familie erhalten, was sie für ein gesundes Aufwachsen brauchen.