The Human Safety Net
Wie Familien einen gesunden Umgang mit Smartphone, Fernseher und iPad lernen.
Unser Alltag ist geprägt von digitalen Medien. Wie beeinflusst das die Entwicklung von kleinen Kindern? Raquel Paz Castro forscht zu diesem Thema am Marie Meierhofer Institut für das Kind (MMI) und weiss, wo sich Eltern Unterstützung wünschen.
Wir sind noch dabei, diese Daten zu analysieren. Aber wir wissen zum Beispiel, dass gestresste Eltern ihren Kindern schneller und öfter Zugang zu digitalen Medien ermöglichen. Wenn sie zum Beispiel Job, Kinderbetreuung und Freizeit unter einen Hut bringen wollen. Darum ist es für uns ganz wichtig, auch den Eltern Sorge zu tragen - mit unseren Informationsanlässen, im direkten Austausch und mit niederschwelligen Unterstützungsangeboten. Damit sie besser mit Stress umgehen und mehr Raum für Begegnungen mit dem Kind schaffen können.
Das ist schwierig. Man kann digitale Medien wie Smartphones, Computer oder den Fernseher ganz unterschiedlich nutzen – vom stundenlangen Zuschauen über Memory spielen bis zum Wörtli lernen. Es geht darum, herauszufinden, welche Inhalte sinnvoll sind. Grundsätzlich empfehle ich: Je jünger ein Kind ist, desto weniger Zeit sollte es vor dem Bildschirm verbringen. Kleine Kinder lernen von digitalen Medien wenig, verpassen aber gleichzeitig wertvolle Erfahrungen im echten Leben.
Zudem rate ich Eltern, ihr Kind beim Konsumieren von digitalen Medien zu begleiten. Auf ein Kind mit einem abwechslungsreichen Alltag in einem interessierten Umfeld hat eine Stunde vor dem Bildschirm andere Auswirkungen als auf ein Kind, das von seinen Eltern wenig Interesse spürt.
Beim MMI sehen wir uns als Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis, aber auch umgekehrt. Unsere Aufgabe ist es, die Ergebnisse aus der Studie «Kinder und digitale Medien» zu jenen zu bringen, die sie wirklich brauchen. Um die konkreten Bedürfnisse von Eltern zu erfahren, haben wir Gespräche in kleinen Gruppen oder einzeln geführt. Wir haben herausgefunden, dass sie über 50 verschiedene Situationen, in denen Kinder digitale Medien nutzen, als herausfordernd empfinden. Und sie vermissen konkrete Informationen zu diesem Thema. Das zeigt auf: Jede Familie ist einzigartig in Bezug auf ihre Bedürfnisse.
Eltern sollen spüren, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Aber weil die Ausgangslage je nach Familie enorm unterschiedlich ist, braucht es eine individuelle Beratung. Und die entwickeln wir momentan mit unserem «KiDiMCoach». Dieses WhatsApp-Tool soll Eltern beim Thema «Kinder im Umgang mit digitalen Medien» individuell unterstützen. Der «KiDiMCoach» ersetzt keine persönliche Beratung, aber er bietet niederschwellig Hilfe zur Selbsthilfe. Das Tool wird in der zweiten Jahreshälfte 2025 in einer Pilotphase getestet.
Ich wünsche mir, dass Eltern sich nicht gegenseitig verurteilen, wenn Familien unterschiedlich mit digitalen Medien umgehen. Eltern wollen das Beste für ihr Kind – aber es wird immer komplexer, dieses Ziel zu erreichen. Das Smartphone steuert unseren Alltag und ist so oft zur Hand, gleichzeitig sollen Kinder einen gesunden Umgang damit lernen. Je gesünder Eltern mit digitalen Medien umgehen, desto bessere Vorbilder haben ihre Kinder.
Raquel Paz Castro
Projektleiterin Studien