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Nicht vorlesen, sondern erzählen!

Die besten Tipps einer Leseanimatorin, passend zum Schweizer Vorlesetag.

Schon direkt nach der Geburt entwickeln Kleinkinder ein Gefühl für Sprache. Leseanimatorin SIKJM Marlies Mertl erklärt, wie Eltern beim Vorlesen die Sprache ihrer Kinder fördern und so eine ideale Basis für später schaffen können.

Frau Mertl, was macht eine Leseanimatorin genau?

Mein Arbeitsalltag besteht aus zwei Bereichen. Zum einen arbeite ich direkt mit Kindern und erzähle ihnen Geschichten in Mundart, die ich mit Liedern, Versen oder Spielen anreichere. Ich lese nicht nur vor, sondern ermögliche ein gesamtheitliches Erlebnis. So führe ich kleine Kinder lustvoll an Bücher heran. Wenn sie später in der Schule lesen lernen, erinnern sie sich daran, dass Bücher etwas Schönes, Spannendes sind.

Und worum geht es im zweiten Bereich?

Ich gebe mein Know-how und meine Erfahrungen weiter an Erwachsene, die beruflich mit Kindern zu tun haben. Zum Beispiel in Kitas, Spielgruppen oder Bibliotheken. Es geht darum, den Interessierten zu zeigen, wie sie ein literarisches Umfeld gestalten können, in dem sich schon die Kleinsten wohlfühlen. Es ist ein Geschenk, in Kindergesichter zu schauen, wenn sie bei einer Geschichte so richtig mitfiebern.   

Warum ist Vorlesen so wertvoll für die Entwicklung von Kleinkindern?

Allein die Tatsache, dass man sich zu zweit, dritt oder viert eine Auszeit aus dem Alltag nimmt und sich aufs Bett oder Sofa kuschelt, vermittelt Geborgenheit, emotionale Zuwendung und Sicherheit. Beim Zuhören, wenn jemand vorliest und erzählt, lernen schon die Jüngsten unbewusst viel über Rhythmus und Melodie von Sprache oder über den Aufbau einer Geschichte.

Ab welchem Kindesalter sollte man mit dem Vorlesen beginnen?

Schon von Geburt an. Vorlesen ist ja nicht nur etwas Technisches. Schon ein Baby im Tragetuch spürt die Melodie der Sprache, wenn die Mutter oder der Vater erzählt. Etwa mit 6 Monaten fängt bei Kleinkindern das Interesse an Bücher an – auch wenn sie in erster Linie noch ein Spielobjekt sind, in das man reinbeissen kann. Übrigens: Nur weil ein Kind endlich selber lesen kann, sollten Sie nicht mit dem Vorlesen aufhören. Geniessen Sie diese wertvolle Zweisamkeit auch mit älteren Kindern.

Gibt es Tipps, wie das Vorlesen zum Erlebnis wird?

  1. Vorlesen ist eine bewusste Auszeit im Alltag. Ohne Ablenkung, ohne Handy – lassen Sie sich voll auf die Situation ein.

  2. Lesen Sie nicht nur vor, erzählen Sie! Ergänzen Sie die Geschichte mit einem Vers oder einem Lied – was immer Ihnen in den Sinn kommt.

  3. Lassen Sie Fragen zu und fordern sie solche auch ein. So entstehen spannende Dialoge. Zum Beispiel mit der Gegenfrage: «Was hättest du in dieser Situation gemacht?»

  4. Gehen Sie mit Ihrem Kind in die Bibliothek. Damit für einmal nicht die erwachsene Person das Buch auswählt, sondern das Kind entscheiden kann.

  5. Akzeptieren Sie es, wenn Ihr Kind immer dasselbe Buch von Ihnen hören will. Kinder lieben Wiederholungen.

Wie kann ich die Sprache meines Kindes fördern?

Studien belegen, dass Kinder, denen schon früh vorgelesen wird, später einen einfacheren Start in den Prozess des Lese- und Schreibenlernens haben. Sie können die Sprache Ihres Kindes ganz einfach fördern, denn das geschieht im Alltag automatisch. Reden und erklären Sie beim Spielen, Kochen oder Spazieren. Wer im Dialog mit dem Kind ist, kann nichts falsch machen. Man sollte ein Kind in Worten baden!

Am 21. Mai findet der Schweizer Vorlesetag statt. Warum braucht es ihn?

Er gibt dem Vorlesen eine Relevanz, denn es wird in Institutionen, Familien oder in der Schule medienwirksam thematisiert. Auch dank der prominenten Paten – wenn Stadtpräsidenten, Fussballer oder Moderatorinnen vorlesen, dann hat das eine wertvolle Vorbildfunktion.

Marlies Mertl, Leseanimatorin SIKJM

Marlies Mertl

Leseanimatorin SIKJM

Marlies Mertl arbeitete 20 Jahre lang als Fachfrau Betreuung in Kitas. Danach liess sie sich zur Leseanimatorin SIKJM ausbilden. Heute arbeitet sie freiberuflich als Leseanimatorin, unter anderem auch im «Marie Meierhofer Institut für das Kind». Zudem gibt sie ihre Erfahrungen im Rahmen von Weiterbildungen an Erwachsene weiter.